Beschreibung
Vorwort
Was bei Claudia Katz› Zeichnungen primär als Gedankenwanderung und Bleistiftschlendern ausschaut, eröffnet sich als viel mehr, wenn man diesen Spuren, Pfaden, Erkundungen nachgeht: Sensible Spür- und Denkwege, neugierige, poetische Forschungen. Die Bleistiftspuren atmen; sie sind von grosser Sicherheit -diese Sicherheit wird mit Jabès› Texten und Fragen zugleich gestärkt und relativiert. «Mit dem Bleistift fühle ich mich dem Schreiben von Hand nahe», sagt die Künstlerin. In den Bildern spürbar sind die permanenten Bewegungen der zeichnenden Hand, man fühlt es fliessen und strömen wie in Jabès‹ Texten. Und bei diesem Zeichnen-schreiben oder Schreiben-zeichnen entsteht das Werk, der aktive, lebendige Raum. Wie vieles Geniale kommen diese Zeichnungen im Kleid des einfachen Gebildes daher; sie sind jedoch komplexe Taten. «Zeichnerische Reaktionen auf Texte von Edmond Jabès» hatten wir einmal als Untertitel. – «Reaktionen»: für das künstlerische Schaffen stimmt der Begriff einigermassen. Wobei Re-Aktion im allgemeinen Empfinden Immer nachträglich eines auslösenden Umstandes gedacht ist. Solche Re-Aktion kann im künstlerischen Denkprozess auch eine Jetzt-Aktion, gar eine Voraus-Aktion sein. Oder, wenn man die zeitliche Hierarchie verlässt: eine selbst-ständige Aktion. Meist werden vom Künstler, Denker, Schreiber originäre, originale Werke erwartet – «aus nur sich selber heraus, aus dem tiefen Brunnen», geschöpft. Doch jeder kreative Mensch braucht auch andere Ichs, andere Denkkräfte, um etwas für sich Gültiges zu erschaffen. Ich finde es hervorragend, wenn die Texte eines Dichters eine Bildnerin anregen, anspornen, etwas Neues zu finden, zu schaffen – ein Geisteskind zum Beispiel, mehrere, viele. Wie hier: Edmond Jabès, Wort-, Denkmächtiger & Claudia Katz, Künstlerin, Zeichnerin, machen zusammen etwas Neues, Einzigartiges, das Buch Vis-à-vis. Dieses Geisteskind begeistert mich. Ich lasse es gerne in mein Leben eintreten.
Beat Brechbühl